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Treating to New Targets Study (TNT , März 2005)
Statistischer Steckbrief(das Studien-Zertifikat des Grundversorgers "von unten nach oben" bzw. ein Plädoyer für eine einheitliche Kurzdarstellung von Studienresultaten)
CVD-SEKUNDÄRPRÄVENTIONSSTUDIE (Intention-to-treat, Multicenter) bei 10001 Patienten mit stabiler korononarer Herzkrankheit (KHK,CHK,CHD) im Alter von 35-75 Jahren (19% Frauen) aus USA, Canada und EU (Multicenter) zur Untersuchung, ob eine zusätzliche Reduktion des LDL-Cholesterins unter 2.6 mmol/l (100 mg%) einen klinischen Nutzen bringt. (ACC-Kongress, Orlando, März 2005)
Im Prüfarm mit 80 mg Atorvastatin (Sortis) pro Tag zum Erreichen eines LDL-Zielwertes von 1.9 mmol (75 mg%) wird gegenüber des Vergleichsarmes mit 10 mg Atorvastatin (LDL-Zielwert 2.6 mmol/ = 100 mg%) innert einer Studienlaufzeit von 5-Jahren eine hoch signifikante Reduktion des primären Endpunktes (434/4995 vs 548/5006) erreicht ohne statistisch signifikantes Sicherheitsrisiko bei der hohen Statindosierung. Die Gesamtmortalität war in beiden Therapiearmen gleich (284/4955 : 282/5006 , HR 1.01). Die Patientenpopulation bestand aus CHK-Patienten mit einer stabilen CHK und initial einem LDL-Cholesterin von 3.4 - 6.5 mmol/l bzw. einem TGL ≤ 6.8 mmol/l.
Die Studienlaufzeit betrug median 4.9 Jahre.
Primärer Endpunkt waren das Auftreten einer der folgenden tödlichen oder nicht tödlichen kardiovaskulären Krankheiten (fatal/non fatal CVD): Tod ducht CHK, Reanimation nach Herzstillstand, nicht tödlicher Myokardinfarkt, tödlicher und nicht tödlicher Hirninfarkt.
In die Studie eingeschlossen wurden Patienten mit klinisch evidenter CHK (St.n.MI, aktueller oder früherer Angina pectoris, St.n. coronarer Revaskularisation mit einem LDL von 3.4 - 6.5 mmol/l bzw. TGL ≤ 6.8 mmol/l am Beginn und einem LDL < 3.4 mmol/l am Ende der open-label-run-in-Periode (Periode vor Randomisierung in welcher mit 10 mg Atorvastatin behandelt wurde).
Von der Studie ausgeschlossen wurden Patienten mit
• Statin-Hypersensitivität
• aktueller Leberkrankheit, Nephrose, Schwangerschaft oder unkontrollierten CHD-Risikofaktoren (z.B. Diabetes, Hypertonie)
• MI, koronarer Revaskularisation, schwerer/unstabiler angina pectoris innerhalb der 4-wöchigen Screening-Phase
• Herzinsuffizienz
• ungeklärten CPK-Erhöhungen > 6 fach oberer Norm
• lebensbedrohlichen Malignomen
• Immunosuppression oder Lipid-senkenden Medikamenten.
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Statistischer Steckbrief: berechnet anhand des Risikokalkulators
www.kardiolab.ch/riskcalc_JSI.html
TNT (Sortis)
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"krank" k
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"gesund" g
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QuerSumme
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Risiko Rate (risk)
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Risiko Odds (hazard)
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Hypothesen testen mit
Fisher's exact Test
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Chi2-Test
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Atorvastatin 80 mg/d
x 4.9 J
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mk
434
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mg
4561
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QS1=mk + mg
4995
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R1=mk/QS1
0.0869
[0.0794;0.0950]
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H1=mk:mg 0.0952
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Atorvastatin 10 mg/d :
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ok
548
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og
4458
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QS2=ok+og
5006
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R2=ok/QS2
0.1095
[0.1011;0.1184]
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H2=ok:og 0.1229
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Signifikanztest
H0 ablehnen
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SenkrechtSumme SS :
Hypothese H0
"Urne"
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SS1=mk+ok
982
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SS2=mg+og
9019
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TOTAL
10001
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PV=SS1/TOTAL
0.0982
[0.0925;0.1042]
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PV=SS1:SS2
0.1089
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Fisher's
p = 0.0000834
Fehler 1.Art
α = 0.000083
2α= 0.000167
Sicherheit
1-α = 0.9999166
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Χ2 = 14.144538
p(2α) <0.0002
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Odds O
und Risiko-
Relationen
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O1=mk:ok
0.6535
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O2=mg:og
1.0483
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Odds Ratio
OR=O1/O2
0.7741
[0.6780;0.8838] |
Relatives Risiko
RR=R1/R2
0.7937
[0.7042;0.8946]
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Hazard Ratio
HR=H1/H2 0.7741 wie OR
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δ-Kollektiv
hypothetisches
"Placebo mit H0-Aequivalenz"
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δk_A
491
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δg_A
4515
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δQS_A
5006 |
δR_A
0.0981
[0.0901;0.01066]
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Aequivalenztest
HA ablehnen bzw.
H0 beibehalten
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Verum + δ-Kollektiv
Hypothese HA
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SS1_A
925
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SS2_A
9076
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TOTAL_A
10001 |
PV_A
0.0925
[0.0870;0.0983]
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Fisher's
p = 0.0288414
power
1-β = 0.9712
Fehler 2.Art
β = 0.0288
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Die Mathematische Beziehung zwisch den "Risikowährungen" risk (R, die gewohnte Denkweise im deutschsprachigen Raum) und odds (O, vor allem angelsächsischer Raum)
lautet → 0 = 1/((1/R)-1) bzw. R = 1/((1/0)+1) ,
gilt aber nicht für deren Risikorelationen RR und OR !!
In welcher Risikowährung (risk R oder hazard H) soll man den Risikovergleich in Random Control Studien (RCS) vornehmen ?
Risiko-Relationen | |
Risiko (risk, R) | |
Risiko (hazard, H) | |
Kennzahlen für
Primären Endpunkt
im Orlando-Report |
Relatives Risiko | |
Relative Risk R1/R2 RR = 0.7937 [0.7042;0.8946] | |
Hazard Ratio HR = 0.7741 [0.6780;0.8838] | |
HR = 0.78 [0.69;0.89] |
Relative Risikoreduktion | |
Relative Risk Reduction
(R2-R1)/R2 = 1-RR
RRR = 0.2063 | |
Relative Hazard Reduction
(H2-H1)/H2 = 1-HR
RHR = 0.2259 | |
RHR = 0.22
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Absolute Risikoreduktion | |
Absolute Risk Reduction
R2-R1
ARR = 0.0226 | |
Absolute Hazard Reduction
H2-H1
AHR = 0.0277 | |
nicht erwähnt |
Number Needed to Treat | |
1/ARR
NNT = 44.28 | |
1/AHR
NNT = 36.1 | |
NNT =
|
Analog der Finanzwelt, die die Ertragskraft eines Konzerns auf verschiedenen Ebenen (EBIT, EBITD oder EBITDA) beschreibt und man sich Klarheit darüber verschaffen muss, welchen Parameter genau nun man eigentlich beim Studium von Konzernbilanzen beurteilt, sollte man sich in der Risikostatistik bei der Bewertung einer so zentralen Kennzahl wie die NNT Klarheit verschaffen, in welcher Risiko"währung" (Risk bzw. Odds oder Hazard) diese berechnet wurde. Wenn also der Begriff "AHR" (absolute Hazard Reduction) in den Studien üblicherweise nie oder einfach unter dem Begriff ARR (absolute Risikoreduktion) angewandt wird, wäre es vielleicht an der Zeit, diesen (sofern man mit Hazards) an Stelle von ARR zu benutzen. Zur Veranschaulichung, welch unterschiedliche Werte je nach gewählter "Risikowährung" die zentralen Kenngrössen NNT und RRR annehmen können, bediene man sich des folgenden Risikokalkulators.
RISIKOKALKULATOR : Anhand der beiden Risikokennzahlen RRR und NNT lässt sich die Risikosituation adäquat beschreiben. Die Relative Risikoreduktion (RRR) ist ein Mass für die Wirkungseffizienz (bzw. das Schadenspotential bei negativen Werten) eines Medikaments. Die Number Needed to Treat (NNT) ist ein Allokationsmass, das von der Grösse des Bezugsrisikos (R2 bzw. H2, Plazebo) abhängt ("Inzidenz-Abhängigkeit von NNT"). Sie gibt an, wie viele Patienten behandelt werden müssen, bis ein Endpunktereignis eintritt. Eine negative NNT entspricht einer Number Needed to Harm (NNH). Die Berechnung dieser Kennzahlen in der Odds-Währung (hazard) überzeichnet gegenüber deren Berechnung in der Risk-Währung die Wirk-/Nebenwirkungspotenz eines Medikamentes.
LEARNING POINTS:
• Bei der Bewertung von statistischen Risiken sollte man sich unbedingt Klarheit darüber verschaffen, in welcher Risiko-Währung "Risikoraten (risk) bzw. Risiko-Odds (hazard)" sie berechnet wurden. Dies gilt besonders für die Gewichtung der relativen Risikoreduktion (RRR, Wirkparameter) und der Numbert-to-Treat (inzidenzabhängiger Allokationsparameter).
• Eine statistische Studienbewertung allein aufgrund des Signifikanz-Testes ohne Kenntnis von β-Fehler und power ist unvollständig.
BEMERKENSWERTES zum Studieninhalt :
• Das CVD-Risiko war in beiden Behandlungsarmen mit 10% in 5 Jahren (entspricht linear extrapoliert 20% in 10 Jahren), was in der CVD-Risikostratefizierung anhand von Risikofaktoren einem Hochrisiko entspricht.
• Die zur Erzielung eines zusätzlichen CVD-Verhütungs-Erfolges notwendige NNT von 44 unter einer hochdosierten Atorvastatintherapie ("zur intensiven Lipidsenkung") erscheint relativ hoch. Viel wichtiger scheint es zu sein, dass man bei gegebener Indikation überhaupt ein Statin anwendet (vergl. CARDS).
• Beruhigender Fakt ist, dass auch die hohe Atorvastatindosierung keine signifikant erhöhte Nebenwirkungsrate zeigte.
• Die Gesamt-Mortalität kann auch mit hohen Sortisdosen nicht gesenkt werden.
• Betrachtet man analog früherer Statinstudien die CHD-Ereignisse allein (Secondary Efficacy Outcome Measures → Any coronary event), nämlich 1078/4995 (80mg) vs 1326/5006 (10mg Sortis), so resultiert eine RRR von 0.1852 und eine NNT von 20.38 bei einem Χ2 von 32.6974, einem α-Fehler von 5.26 x 10-9, einem β-Fehler von 0.001891 und einer power von 0.9981 (99.81%) gegenüber einem hypothetischen 10mg Arm mit H0-Aequivalenz (1203/5006).
• Betrachtet man bei den sekundären Endpunkten allein die CHD-Ereignisse (Secondary Efficacy Outcome Measures → Major coronary event), nämlich 334/4995 (80mg) vs 418/5006 (10mg Sortis), so resultiert eine RRR von 0.1992 und eine NNT von 60.12 bei einem Χ2 von 9.7093, einem α-Fehler von 0.000908, einem β-Fehler von 0.058644 und einer power von 0.94136 (94.14%) gegenüber einem hypothetischen 10mg Arm mit H0-Aequivalenz (3763/5006).
FAZIT :
Mächtige 5-Jahres-Studie mit einer riesigen, multizentrisch gewonnenen Fallzahl und entsprechend hoher Power, welche die Kraft hat, den 80 mg Atorvastatinarm (risk 434/4995) von einem hypothetischen 10 mg Arm bis hinab zu 491/5006 CVD-Ereignisse bei einer Schranke von 5.76% (2 β = 0.0576) noch signifikant zu unterscheiden. Entsprechend ist denn auch der α-Fehler im Signifikanztest gegenüber dem 10 mg Arm (548/5006) mit einem Wert von 0.0000834 (2 α = 0.000167) minimal und liegt unterhalb einer Siginifikanzschranke < 0.02%, was man im Kurzjargon als "hoch"signifikant bezeichnen würde !!
Dr. med. Franz Paul Ackermann-Ball
Spezialarzt FMH für Innere Medizin
Ziegelfeldstr. 30 , CH-4600 OLTEN
franzackermannball@freesurf.ch
17.09.2005
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